Bullshit vermeiden: Das Geschäft mit der Unsicherheit

3 Faustregeln um Zeit und Geld zu sparen!

Spam ist teilweise leicht zu erkennen, aber was ist eigentlich mit all den E-Mails von Menschen, die Eure Website analysiert haben oder ein exklusives Tool zur Verbesserung Eurer Performance bereithalten? Wir haben dutzende solcher E-Mails bekommen und fassen Euch die 3 wichtigsten Arten zusammen.

1. Eine kurze Frage

Die zufällige Gratis-Chance

“Hey, ich bin über Google auf Dein Unternehmen gestoßen [..] leite eine Agentur, die wachsen will [..] suchen derzeit 5 Unternehmen für eine kostenlose Testphase”.
Spannend, dass die Agentur erfolgreich ist, aber durch die Gegend googelt um 5 Kunden zu finden, die ein erfolgreiches Konzept gratis nutzen können. Und dass gerade Du einer dieser 5 Kunden bist. Ganz ehrlich: Diese Mail erhalten Tausende, und alle genauso wie Du per Kaltakquise-Spam. Der Spammer hat sich Deine Website nicht wirklich angesehen, und er hat auch keine konkreten Ideen, sondern will Dich in ein Telefonat oder einen Videocall verwickeln, in dem er Dir nach einem geschickt gemachten Leitfaden einlullt.
Bullshit-Detektor: Wenn sich der Sender in der Mail nicht konkret auf Dich bezieht, sondern bspw. nur den Firmennamen nennt, aber sonst keinerlei konkrete Erkenntnisse, oder einen Bezug darauf, warum er exklusiv Dich anmailt, dann lösch das Ding sofort.

2. Die individuelle Analyse

Verpasstes Potenzial

Ihr erhaltet per E-Mail oder Post eine Analyse Eurer Website, die großen Handlungsbedarf aufzeigt, z. B. da HTML Title Tags nicht optimal gesetzt wären, die Ladegeschwindigkeit zu träge ist, oder ähnliches.
In der Analyse kann ein wahrer Kern stecken, aber auch hier hat sich niemand Eure Website individuell angesehen, sondern eine völlig unspezifische Standardanalyse wird an tausende Adressaten versandt, in der Hoffnung an einigen Stellen einen wunden Punkt zu treffen. Den hinterlegten Metriken ist dabei egal, ob Ihr beispielsweise ein lokales Unternehmen mit Kundenverkehr oder ein europaweit agierendes B2B Unternehmen seid. Entsprechend ist die Aussage der Analyse völlig unspezifisch und kann höchstens als “netter Impuls von außen” dienen. Interessanterweise ist diese “individuelle Analyse” zwar bereits fertig und der Agentur ist klar dass Ihr dringend etwas - mit ihnen - tun müsst, eine konkrete Info zu sinnvollen Gegenmaßnahmen und konkreten Preisen erhaltet Ihr aber ebenfalls erst wieder nach einem umfassenden Beratungsgespräch. Auch hier geht es schlicht darum, Euch von einem kalten zu einem warmen Lead zu konvertieren und im Gespräch schön einzupacken.
Bullshit-Detektor: Wenn der Sender keine konkreten Verbesserungsvorschläge macht, sondern nur Panik verbreitet wieviel Ihr derzeit falsch macht, dann ist das Ding genauso Spam wie eine Viagra-Mail.

3. Das geheime SEO Tool

Nur Du hast diese Chance

“Wir haben festgestellt, dass die Sichtbarkeit Ihres Standorts in Google nicht optimal ausgebaut ist [..] Wir haben in Zusammenarbeit mit Google eine Software entwickelt die Ihre lokale Auffindbarkeit in der Google Suche deutlich steigert [..] Unser Experte hat eine kurze Präsentation vorbereitet und würde sich freuen, Sie an Ihrem Standort zu besuchen.”
Wow, da ist so vieles falsch. Das Geschäftsziel Googles ist es, auf Basis eigener Algorithmen mit möglichst viel künstlicher Intelligenz selbst zu bewerten, was DER beste Treffer für ein jeweiliges Problem oder eine Suchanfrage ist. Warum sollte Google eine Agentur aus Hintertupfingen irgendwo in Deutschland beauftragen ein Tool zu entwickeln, mit dem das Ranking in Google optimiert wird? Und dieses sagenhafte Tool ist so komplex, dass ein Vertriebsmitarbeiter bei Euch vor Ort vorbeischauen muss, um es Euch zu erklären? Spannend, dass Ihr Euch Microsoft Office, SEO Tools wie Ryte oder auch SAP als Testversion selbst herunterladen und installieren könnt, aber beim geheimen SEO Tool muss der Vertriebler bei Euch Halt machen.
Bullshit-Detektor: Geheime Google-Tricks oder Tools gibt es nicht. Sinnvolle, nachhaltige SEO Maßnahmen sind immer auch für einen Menschen nachvollziehbar. Gute digitale Tools oder Konzepte können immer online präsentiert oder direkt getestet werden. Wenn ein Vertriebler ins Haus kommen muss, um etwas Digitales zu präsentieren, ist es zu 100% Bullshit.

Wie kommt es eigentlich dazu

"Agentur"-Wildwuchs

Viele wissen nicht, dass es ein lukratives Geschäft für einige Wenige ist, jungen Menschen, die sich beruflich orientieren möchten, zu versprechen, dass man eine Online-Marketing Agentur ohne weiteres aus dem Nichts aufbauen kann. Zusammen mit einem teuren Videokurs erhalten die Teilnehmer die Mailvorlagen und Gesprächsleitfäden, um möglichst vielen unsicheren Websitebetreibern den Mund wässrig zu machen. Die meisten Unternehmer/innen wissen, dass Sie rund um Social Media Marketing und Suchmaschinenmarketing aktiv sein müssen - aber nur Wenige wissen, was die richtigen Stellschrauben sind. Das ist ein gefundenes Fressen für die Anbieter dieser Videokurse und deren Zielgruppe.

Habt Ihr auch Erfahrungen mit dieser Art von Mails gemacht? Schreibt uns in die Kommentare auf Facebook! Und wenn Du auch in Zukunft mehr Infos haben möchtest, like unsere Facebookseite und aktiviere “als Erstes anzeigen”.

Nikolai Tauscher

Zum Autor:

Nikolai Tauscher hat sich seit 1999 auf digitales Marketing in der Fitness- & Gesundheitsbranche spezialisiert. Er ist Geschäftsführer der igroup Internetagentur, mit der er im deutschsprachigen Raum das digitale Marketing von über 450 Clubs betreut. Zudem ist er Referent auf Workshops und Fachkonferenzen sowie Dozent für Informationsdesign an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Fachartikel und arbeitete unter anderem am Europäischen Health Club Industry Web & Social Media Report mit.